Jedes Jahr, wenn der Oktober in den November kippt, staune ich über diese Ironie der Weltgeschichte: Der Reformationstag und Halloween und Allerheiligen haben sich komplett vereinigt. Jack Thiessen, der wohl bekannteste plautdietsch-mennonitische Sprachkünstler, hängte gestern ein Bild mit einem furchtbar ekligen Gesicht, kunstvoll und gekonnt aus einem Kürbis geschnitzt, an eine private Email an einige Freunde. Ohne Kommentar. Er schien es lustig zu finden. Geschmacklos!? Tolle Kunst!? Das waren meine ersten Gedanken...
Dass sich in diesem Jahr in Stuttgart die Lutheraner aus aller Herren Länder trafen, unter anderem auch, um sich bei den Mennoniten für ein paar fiese und gemeine Dinge zu entschuldigen, fällt ebenfalls in diesen Kontext. Allein schon der Titel des Buches, aus dem ich das Foto (siehe oben) habe, spricht Bände - in der Sprache von Halloween und Reformation und aller Heiligen:
Der blutige Schauplatz oder Märtyrerspiegel der Taufgesinnten oder wehrlosen Christen, die um des Zeugnisses Jesu, ihres Seligmachers, willen gelitten haben und getötet worden sind, von Christi Zeit bis auf das Jahr 1600Diese blutige und illustrierte Horrorgeschichte von Thieleman Janz van Braght gehört zu den Anfängen mennonitischer Literatur. Auf dem ausgewählten Bild für diesen Blogeintrag wird Herr Van der Leyen in Gent hingerichtet. Etwas später gehören die mennonitischen Von-der-Leyens in Krefeld zu Europas größten Seidenwebern und -händlern. Heute verbinden wir diesen Namen ja immer noch mit den Themen Familie, Arbeit und einigen anderen Dingen, denen wir ausgeliefert sind...
Siehe auch Patientia Nostra - ein plautdietscher Kommentar von vor drei Jahren zum Thema katholisch-mennonitische Beziehungen
8 Kommentare:
Die "fiesen und gemeinen Dinge", zu denen du da einen Link hast - wo ist da der Bezug zu den Lutheranern? Haben die denn nach der Reformation tatsächlich auch die Mennoniten verfolgt, ähnlich wie die Katholiken???
Warum Ironie der Weltgeschichte?
Gefällt mir nicht, dass sich Reformationstag und Halloween so mischen. Was Martin Luther da angestoßen hat, verdient viel mehr Aufmerksamkeit.
...und das Bild von Jack (Thiessen?) würde ich auch gerne mal sehen;))
Goodbye Wiens!
Ja, auch die Lutheraner haben während und nach der Reformationszeit Mennoniten bzw. Täufer verfolgt. Luther und Melanchthon haben sich in eigenen Aufsätzen für die Todesstrafe für Täufer ausgesprochen. Melanchthon nahm auch selber an einem Gerichtsverfahren gegen Täufer teil. Und im Augsburger Bekenntnis werden die Täufer (bis heute) an mehreren Stellen (unter anderem für ihre Ablehnung des Krieges) verdammt.
@Anaonym 1.11.
ist lang her, sollten wir endlich mal vergessen
Also, erstmal war mein Kommentar die Antwort auf den ersten Kommentator, der nachfragte, ob auch Lutheraner Mennoniten verfolgt hätten (was tatsächlich der Fall war).
Sicherlich sind die damals geschehenen Verbrechen lange her und klar, einige wollen das am liebsten vergessen. Ich meine, dass man das Gedenken an das Unrecht, das Menschen anderen Menschen angetan haben (egal ob die Verfolgung der Täufer oder anderes Unrecht) schon im Respekt den Getöteten gegenüber bewahren sollte.
Hinzu kommt, dass die Lutheraner ja auch knapp 500 Jahre brauchten, um sich überhaupt für die damaligen Verbrechen zu entschuldigen.
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