Inzwischen ist es schon ziemlich nach 24 Uhr, alle sind schlafen gegangen. Ich genieße auf der Dachterasse meiner Gastfamilie Rempel die Stille der Nacht. Hier in Blue Creek, einer mennonitischen Kolonie in Belize, ist es eigentlich auch nachts nie ganz still. Viele bekannte und noch mehr unbekannte Tiergeräusche aus allen möglichen Richtungen sind zu hören. Irgendwo sollen hier sogar wilde Jaguare frei durch den tropischen Regenwald schleichen. Der klare Sternenhimmel erinnert mich an das irre schöne Schauspiel, das wir diesen Abend genießen konnten: eine totale Mondfinsternis! Der Mond wurde aber nicht ganz schwarz, er verfärbte sich rötlich orange. Wir saßen draußen mit unseren "deutschen" Belizianern, redeten über Russland, das Mittagessen von morgen und die Mietpreise in Deutschland, hatten ständig ein paar Sonnenblumenkerne zwischen den Zähnen, und schauten immer wieder mal hoch zum Himmel. Der schien uns diesen Abend zu mögen. Vielleicht auch, weil gerade der 21. Februar begann. Dies ist nicht nur der Internationale Tag der Muttersprache, was ja eigentlich schon Grund genug für uns gewesen wäre, gut gelaunt zu sein. Denn hier saßen heute Abend Menschen aus Deutschland, Kanada, Mexiko und Belize mit einer gemeinsamen russlandmennonitischen Geschichte und der gemeinsamen Sprache Plautdietsch, die eine sehr verrückte und vielschichtige Migrationsgeschichte auf dem Buckel hat. Für uns hier in dieser plattdeutschen Sprachinsel mitten in Zentralamerika ist der 21. Februar auch der Beginn einer 4-tägigen Party, denn heute Nachmittag starten die Jubiliäumsveranstaltungen zum 50-jährigen Bestehen der Kolonie Blue Creek. Russlandmennoniten aus Mexiko gründeten diese und zwei andere Kolonien (Shipyard und Spanish Outlook), als sie sich 1958 auf der Suche nach einer neuen Heimat für Belize, damals British Honduras, entschieden. Zu den Menschen, die dieses Stückchen Urwald dann nach und nach erstaunlich verwandelten, gehört auch Peter Rempel, unser Gastgeber und Organisationsleiter der großen Feier. Ich freue mich schon riesig auf die gemeinsamen Tage mit Familie Rempel und all den anderen, die in den Tagen nach dieser Mondfinsternis das Entstehen und Gedeihen von Blue Creek feiern wollen. In einem Land Lateinamerikas, das als einziges Englisch als Nationalsprache hat. In einer Kolonie mit Migranten, deren Mutter-, Umgangs- und Arbeitssprache Plautdietsch ist, während alle Nachbarn Englisch oder Spanisch reden. Sprachen sind wie Sonne, Mond und Sterne – immer in Bewegung, immer in Beziehung. So bekannt und doch so unerschlossen.
Das Foto habe ich vormittags gemacht, als wir unterwegs nach Shipyard waren. Der Fluss markiert die Grenze zu Blue Creek.Donnerstag, 21. Februar 2008
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